Vor wenigen Wochen hatte der Vatikan eine neue Regelung für die Aufnahme von anglikanischen Gläubigen, die die Gemeinschft der katholischen Kirche suchen, angekündigt; heute nun ist die apostolische Konstitution
Anglicanorum Coetibus erschienen. So traf es sich sehr gut, daß uns Kappy Zabaleta gestern abend in unserem Forum eine sehr informative Einführung in die Hintergründe dieser aktuellen Thematik geben konnte, zu der sowohl viele Freunde von St. Georg als auch etliche englischsprachige Besucher zusammenkamen.
Kappy ist seit langem einer der Nachbarn von St. Georg in Second Life; gegenüber unserer "Wunderbar" liegt sein Grundstück Walsingham, Heimat der Gruppe "Anglican Use". Der reale Mensch hinter dem Avatar Kappy, C. David Burt, ist durch seine Lebensgeschichte eng mit der Beziehung zwischen anglikanischer und katholischer Kirche verbunden; er stammt aus der Episcopal Church, der anglikanische Kirche der USA, in der er zehn Jahre als Priester gewirkt hat. Die Umbrüche in der anglikanischen Kirche veranlaßte ihn 1978, die Episcopal zu verlassen und sich einer traditionell orientierten Abspaltung anzuschließen, ehe er einige Jahre später zur katholischen Kirche konvertierte.
In seinem Vortrag erklärte Kappy uns zunächst das Selbstverständnis der Anglikaner und insbesondere der traditioneller orientierten Richtung im Anglikanismus. Sie betrachten sich, neben der katholischen Kirche und den orthodoxen Ostkirchen, als dritten im umfassenden Sinn katholischen Zweig der Kirche Christi und hofften, insbesondere nach dem 2. Vatikanischen Konzil, auf eine schnelle Versöhnung und Wiederherstellung der Einheit.
Der Anglikanismus ist jedoch in sich nie einheitlich gewesen; lange Zeit haben traditioneller und katholischer orientierte Gruppen sowohl mit eher evangelikal als auch progressiv ausgerichteten Strömungen relativ friedlich Seite an Seite existiert; es gab einen Konsens, nichts zu tun, was die Gemeinschaft spalten könnte. Dieser Konsens wurde aus Sicht der Anglokatholiken gebrochen, als die Weihe von Frauen beschlossen wurde; weitere Belastungen für die traditionell gesinnten Anglikaner waren die Reform der anglikanischen Liturgie und, dies aktuell in den letzte Jahren, die Akzeptanz für Homosexualität, die sich in der Weihe eines offen in homosexueller Partnerschaft lebenden Bischofs ausdrückte. In der Folge konvertierten viele Anglikaner zur katholischen oder zur orthodoxen Kirche, andere gründeten von der anglikanischen Gemeinschaft unabhängige Splittergruppen, zum Teil mit eigenen Bischöfen.
Manche Gruppen nahmen Kontakt mit dem Vatikan auf, um die Möglichkeit zu überprüfen, katholisch zu werden, aber einen Teil der anglikanischen Tradition zu retten. In der Folge wurde die "Pastoral Provision" erlassen, die die katholische Weihe verheirateter anglikanischer Priester und in den USA die Einrichtung von eigenen Konvertiten-Gemeinden ermöglicht; diese können eine leicht modifizierte anglikanische Liturgie beibehalten. Für viele ist es jedoch ein Problem, daß die Zulassung sowohl zur Weihe in der katholischen Kirche als auch zur Bildung einer "Anglican Use"-Gemeinde vom Wohlwollen des Ortsbischofs abhängig ist - und viele Bischöfe in den USA lehnen solche Anfragen grundsätzlich ab. "Wenn die Pastoral Provision überleben soll", so Kappy, "muß sie eigene Bischöfe haben".
Im letzten Jahr haben sich nun einige unter dem Titel "Traditional Anglican Church" vereinigte Gruppen, die die anglikanische Gemeinschaft verlassen haben, erneut an Rom gewandt. Die neue apostolische Konstitution scheint nun eine Antwort auf diese Anfrage zu sein. Es wurde bereits bei der Ankündigung bekannt, daß für die konvertierten Anglikaner Personal-Ordinariate eingerichtet werden sollen, die nicht den Ortsbischöfen unterstellt sind und von konvertierten Anglikanern geleitet werden sollen.
Kappy erläuterte die verschiedenen, oft kritischen Reaktionen verschiedener Gruppen auf die Ankündigung. "Meiner Meinung nach versucht der Papst damit nicht, 'fremde Schäfchen zu stehlen', sondern er handelt als der eine Hirte", so Kappy. Er erwartet nicht, daß die Anglikaner nun in Massen in die katholische Kirche strömen - aber das, was sich bereits entwickelt, wird nun neu geregelt. Für die bestehenden Anglican-Use-Gemeinden erwartet er positive Auswirkungen.
"Was mich angeht, weiß ich nicht, was das bedeuten wird - ich wäre gern wieder Priester, aber ich bin jetzt über 70 und weiß nicht, was zuerst auf mich zukommt: das Priestertum oder mein Tod ...", schloß Kappy mit einem sehr persönlichen Ausblick.
Abschließend beantwortete Kappy noch einige Fragen und sprach eine Einladung aus, sein Walsingham zu besuchen und sich dort weiter zu informieren.
Schließlich kamen noch einige unserer Gäste mit in die Georgskirche, um mit uns die Komplet zu beten - obwohl es für die, die sich von den USA aus eingeloggt hatten, noch nicht die rechte Zeit für den Tagesabschluß war.
Noch einmal herzlichen Dank an Kappy für seinen aufschlußreichen Vortrag, der uns, die mit der Anglikanischen Kirche weniger vertraut sind, gute Verständnishilfen für die aktuellen Entwicklungen gegeben hat.