Freitag, 30. Oktober 2009

»Man(n) trifft sich« zu Besuch in der Virtuellen Georgskirche





»Man(n) trifft sich« ist ein Gesprächskreis unserer Pfarrgemeinde in Krefeld. Ich nehme dort regelmäßig an einem Gesprächskreis für Männer teil. Seit fünf Jahren trifft man sich dort, um sich über gesellschaftliche und religiöse Fragen auszutauschen. Unter Leitung unseres Pfarrers finden dort interessante Gespräche auf hohem Niveau statt. Nach einem Bericht der Aachener Kirchenzeitung über das Internetprojekt »Kirche in virtuellen Welten« wurde der Wunsch laut, einmal gemeinsam »virtuell in die Kirche zu gehen«. So lautete dann auch das Thema am 29. Oktober. Mit einigem Aufwand wurde das Pfarrheim mit einem »zeitgemäßen« Internetzugang versehen, und nach der üblichen Hektik in der letzten Sekunde, weil ich dann doch noch ein paar technische Details übersehen hatte, konnte eine Gruppe interessierter Gemeindemitgliedern vor der Leinwand Platz nehmen.

Ich habe die Teilnehmer nach ein paar einführenden Worten zum Internet, kirchlichen Engagement im Internet und einigen Erklärungen zu Second Life erst einmal dahin geführt, wo Gustl seit kurz vor acht parkte: Um einen richtigen Eindruck zu vermitteln, habe ich ihn auf eine typische Welcome-Area gestellt. Ein Gewusel von Avataren, die meist auf Englisch chatteten, empfing die Zuschauer. Keiner von ihnen hatte je eine virtuelle Welt besucht; es war eine ungewohnte Situation. Eigentlich dachte ich, wir würden eine Second-Life-typisch aufgebrezelte Avatarin zu Gesicht bekommen, aber weit gefehlt – die sahen wir – in Gestalt von Sunshine Endrizzi – erst, als Augustinus nach St. Georg teleportierte.

In einer ersten Runde stellten sich die Teammitglieder von St. Georg per Voice Chat vor, während wir vom Pfarrsaal aus uns nur per Textchat verständlich machen konnten. Die Teilnehmer an der Gesprächsrunde waren schon etwas irritiert, daß sie auf einmal angesprochen wurden: »Wie, sind da jetzt wirkliche Leute?« »Ist da jetzt wirklich jemand, der da spricht, oder ist das vorher aufgenommen worden?«

Gemeinsam machten wir einen Rundgang durch St. Georg und teleportierten uns durch den Engelparcours. Insgesamt schien alles, was wir zu diesem Zeitpunkt zu sehen und zu hören bekamen, zwar auf Interesse zu stoßen; aber insgesamt war die Krefelder Runde doch nicht so überzeugt, wozu man eine solche Umgebung überhaupt mehr als einmal besuchen sollte.

Die kurze Gesprächsrunde drehte sich um die Frage nach den Gefahren einer immersiven, optisch suggestiven Umgebung. Ob man da nicht in eine Scheinrealität hineingezogen werde? Wir sprachen kurz über das Kommunikationsverhalten Jugendlicher (einige der Teilnehmer sind Lehrer). Ich schilderte einige besonders beeindruckende Situationen und bezog mich in meiner Erläuterung, virtuelle Umgebungen seien nicht per se gut oder schlecht, auf einen Vortrag des Freiburger Moraltheologen Eberhard Schockenhoff auf dem Katholikentag in Osnabrück. Einige Teilnehmer merkten an, daß ihnen die »menschliche Berührung« gefehlt habe; und es kam aus dem Kreis die Bemerkung, ein solches Angebot müsse doch eigentlich dazu führen, daß sich die Benutzer auch im realen Leben treffen wollten. Da konnte ich natürlich auf das Hegnetreffen verweisen. Aber verführt ein virtuelles Angebot nicht zu einem virtuellen Wegklicken, wenn man sich auf die Inhalte und Begegnungen nicht tiefer einlassen wolle? Es wurden aber auch die Chancen angesprochen, im Rahmen eines virtuellen Angebots Menschen anzusprechen, die in ihrer täglichen Umgebung den Weg in eine kirchliche Veranstaltung nicht so schnell finden würden.

Nach dem Austausch in der Gruppe, die in Krefeld versammelt war, schlossen wir uns wieder an das Geschehen im virtuellen St. Georg an und besuchten die Komplet. Die Komplet ist das liturgische Nachtgebet der Kirche, wie es in den Klöstern, aber auch von Priestern und vielen Gläubigen persönlich gebetet wird. In Sankt Georg werden die Texte der Komplet von den Avataren gesprochen. Meist schließt sich bei uns ein gesungenes »Salve Regina« an.

Die Gruppe lauschte, kaum einer betete laut mit, und nach der zwischenzeitlichen lautgewordenen Skepsis befürchtete ich, den Kreis überfordert zu haben; aber im Gegenteil. Die Komplet hat nicht alle, aber doch die meisten zumindest beeindruckt. Ein Teilnehmer sagte, die Komplet habe ihn sehr bewegt. Allgemein schwand mit der Ernsthaftigkeit des Gebetes der Spielcharakter, der von den Teilnehmern vorrangig wahrgenommen wurde, und Details wie der Gesang, die Klarheit und Ernsthaftigkeit des Psalmodierens und natürlich die wunderschön vorgetragene Lesung aus der Schweiz wurden hervorgehoben. Einige Teilnehmer konnten allerdings nach wie vor keinen Zugang gewinnen, oder nur, wenn sie die Augen geschlossen hielten, um von den Bildern nicht abgelenkt zu werden.

Mein Fazit für unsere Arbeit in St. Georg: Man kann so schön bauen, scripten und texturieren wie es eben geht, man kann seinen Avatar wunderschön gestalten; das alles gibt einen ersten Eindruck … aber am Ende überzeugt wirklich die Ernsthaftigkeit und Präsenz des Teams; und die kam mit den Stimmen wunderbar beim Hörer an. Was wir bauen und gestalten, das ist der Rahmen; unser persönliches Mittun, unser Beten und die Art, wie wir Leute empfangen; das erst ist das Gemälde.

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