Vor kurzem habe ich an einer Umfrage unter Second-Life-Benutzern zum Thema Identität in Second Life teilgenommen. Es ging dabei unter anderem darum, wie die Teilnehmer ihren Avatar gestalten und welche Aktivitäten sie in Second Life bevorzugen. An einer Stelle kam ich mir ein wenig ertappt vor: aus einer langen Reihe weiblicher Körperformen von mager bis deutlich übergewichtig sollte ich zuerst die Gestalt meines Avatars, dann meine reale Gestalt auswählen. Und zwischen diesen beiden lagen bei mir dann doch etliche Stufen ...
Nein, ich bin nicht so jugendlich-zierlich wie meine Anastasis. Oder sollte ich sagen: Anastasis ist bei weitem nicht so füllig wie mein reales Ich? Tatsächlich habe ich am Anfang einmal versucht, sie mir in dieser Beziehung etwas ähnlicher zu machen. Das führte zu einem Problem, das ich aus dem realen Leben nur allzu gut kenne: viele Kleidungsstücke passen dann einfach nicht ... Und, zugegeben: es ist schön, diese eher ungeliebte Eigenschaft meines realen Körpers einmal hinter mir lassen zu können.
Letzten Endes habe ich mich also für diese schlanke Gestalt entschieden, mit relativ wenig ausgeprägten „Kurven“, dies entgegen der SL-Tendenz, als Frau möglichst „sexy“ auszusehen. Auch die Kleidung wähle ich in der Regel etwas bedeckter, als ich das an vielen Avataren sehe. Und Anastasis trägt seit einiger Zeit – wie ich im wirklichen Leben – eine Brille und auch eine Halskette mit einem Kreuzanhänger. In diesen Punkten ist Anastasis meinem wahren Ich dann wieder sehr ähnlich. Auch Frisur und Haarfarbe sind einigermaßen realistisch.
Ich spiele wenig mit der Gestalt meines Avatars herum. Manche andere schlüpfen immer mal wieder in eine andere Haut; in Second Life kann man sich ja ohne weiteres als Roboter, naturgetreues oder menschenähnliches Tier, als Fabelwesen oder als Comicfigur bewegen, oder in Menschengestalt verschiedene Körperformen, Hautfarben, Alter und alle denkbaren Kostümierungen annehmen. In und vor St. Georg hatten wir schon Füchse und Katzen, kleine und große Drachen und den Pink Panther zu Gast. So etwas habe ich noch nie ausprobiert – mein Experimentieren geht nicht viel weiter, als hin und wieder eine neue Frisur anzuprobieren und dann doch nach wenigen Minuten wieder zu meinem rotbraunen Pferdeschwanz zurückzukehren.
Ich mag Anastasis, und ich identifiziere mich mit ihr. Und auch wenn sie nicht genau wie ich aussieht: wer ihr in SL begegnet, begegnet dann eben doch –
mir. Denn die Persönlichkeit, die durch Anastasis handelt und spricht, kann und will ich nicht ändern. Und das ist auch gut so.